Wessen Stimmen werden gehört?

Hej Du (hier steht Dein Name im Newsletter),

wusstest Du, dass es seit 2019 zehn nationale Bürgerräte gab? In denen haben sich Bürgerinnen und Bürger landauf, landab Gedanken gemacht, wie wir zusammenleben möchten – über Ernährung, über bessere Bildung, über Desinformation, über Künstliche Intelligenz und über Deutschlands Rolle in der Welt.

Die Idee der Bürgerräte ist so simpel wie genial: „Sie sind ein Gremium aus zufällig ausgelosten Bürger*innen, die gesellschaftlich relevante Themen diskutieren und Empfehlungen für Politik und Öffentlichkeit erarbeiten sollen. Ziel ist es, die Demokratie zu stärken, indem vielfältige Perspektiven gehört und konstruktive Lösungen jenseits parteipolitischer Interessen entwickelt werden“, fasst mir unser futur eins ChatGPT die Idee kurz zusammen. Sie sind also eine kleine Sternstunde der Mitmach-Demokratie.

Einen dieser Bürgerräte hat das Innenministerium initiiert und die Bertelsmann-Stiftung mit der Umsetzung beauftragt: das Forum gegen Fakes – Deutschlands erster Bürgerrat, der Empfehlungen zu Desinformation erarbeitet hat. Ich selbst war dort als Experte eingeladen, um den 139 Bürger*innen einen Vortrag zur Rolle der Medien bei der Verbreitung von Desinformation zu halten. Tong-Jin war unabhängig von mir auch mit dabei mit einem Vortrag zur Erosion der Demokratie durch Desinformation und Auswirkungen auf die mentale Gesundheit. Von Januar bis September letzten Jahres erabeiteten die Bürger*innen insgesamt 15 Empfehlungen und 28 konkretere Maßnahmen. Und auch als jemand, der in dem Feld schon seit über zwei Dekaden arbeitet, kann ich nur sagen: Volle Hochachtung! Die Dinge, die im Bürgergutachten drin sind, sind gut und sinnvoll. Darüber Streiten lässt sich natürlich trotzdem.

Das Gutachten selbst wurde feierlich im Innenministerium unserer Noch-Innenministerin Nancy Faeser übergeben. Im Anschluss diskutierten einige Bürger*innen mit ihr. Spannend war vor allem, die Stimmen der Menschen zu hören, die an dem Prozess beteiligt waren: Man spürte Dankbarkeit, Freude und Respekt im Raum. Dankbarkeit, Teil eines so spannenden Prozesses gewesen zu sein, Freude über die guten Ergebnisse, die erarbeitet wurden, und Respekt für die so unterschiedlichen Menschen, die hier zusammengekommen sind und friedlich sowie konstruktiv Ideen entwickelt haben.

Und nun wird es irre: Es wurde kaum über diesen Bürgerrat berichtet. ARD und ZDF war das in den Hauptnachrichten keine Erwähnung wert. Auch in anderen überregionalen Leitmedien (ZEIT, Süddeutsche, FAZ) muss man mit der Heunadel suchen. Da ermöglicht die Politik mal ein Stück direktere Demokratie – und kaum jemand schaut hin.

Wer allerdings hinguckte, sind Medien, die Bürgerräte verächtlich machen. Die – ich formuliere das mal hypothetisch – vielleicht nicht wollen, dass die Stimme der Menschen im Land Gehör findet. Kann es sein, dass das auf Zeitungen wie WELT und BILD aus dem Hause Springer zutrifft? Auch rechte Trolle und Blogs arbeiteten sich am Bürgerrat ab und witterten gleich wieder den Deep State und dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden solle. Klar, dass denen das nicht passt, die die Deutungshoheit lieber den eigenen Eliten und Zirkeln überlassen möchten – und denen Perspektivenvielfalt eher ein Dorn im Auge ist.

Am 13. März erblickte die Allianz für die resiliente Informationsgesellschaft das Licht der Welt. Das Projekt hat das betterplace lab zusammen mit More in Common, dem Publix, Correctiv und dem Bucerius-Lab der Zeit-Stiftung initiiert. Mit hinzugestoßen sind auch wir, SPREUWEIZEN und Das NETTZ. Der Prozess ist ähnlich wie bei einem Bürgerrat, nur dass sich hier die institutionalisierte Zivilgesellschaft Gedanken über die Zukunft der Öffentlichkeiten macht. Es gab eine öffentliche Veranstaltung im Publix – u.a. mit Markus Beckedahl (netzpolitik.org) und Christiane Hoffmann (stellv. Regierungssprecherin) – und ein Policy Paper von mir.

Und wer berichtete darüber? Die einzige Redaktion, die einen Artikel verfasste, war das Rechtsaußen-Medium von Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt: NIUS. Titel: „Planungs-Treffen im Innenministerium: Wie die Regierung mit Correctiv und steuerfinanzierten NGOs gegen die Meinungsfreiheit kämpft“ (Spoiler: hier ist der Artikel verlinkt, wenn ihr euch das antun wollt) – ein verschwörungstheoretisches Blubbern gegen den Deep State. Sehr zu meinem Amüsement kommt die Allianz im Grunde “ziemlich gut weg”, weil sie nichts gegen uns zum Argumentieren haben.

Bürgerräte, so schrieb es oben ChatGPT, „…sind ein Gremium aus zufällig ausgelosten Bürger*innen, das gesellschaftlich relevante Themen diskutiert und Empfehlungen für Politik und Öffentlichkeit erarbeitet. Ziel ist es, die Demokratie zu stärken, indem vielfältige Perspektiven gehört und konstruktive Lösungen jenseits parteipolitischer Interessen entwickelt werden”. Doch was ist, wenn diese Empfehlungen, wenn diese Stimmen der Bürger*innen und Zivilgesellschaft, die Öffentlichkeit – und damit auch die Politik – nie erreichen?

Herzlich
Alexander
Chief Impact Officer


Allianz für die resiliente Informationsgesellschaft: Auftakt im Publix mit (v.l.n.r.): Markus Beckedahl, Christiane Hoffmann, Greta Buschhaus, Laura Krause und Simon Hurtz

Allianz für die resiliente Informationsgesellschaft

Seit Oktober ist futur eins Allianzpartner in der Allianz für die resiliente Informationsgesellschaft. Wir verlinken Euch alles, was wichtig ist zur Allianz:

Im Juni (Infos folgen) planen wir noch eine Veranstaltung dazu im Publix, um das Papier mit Vertreter*innen aus Politik, Medien und Gesellschaft zu diskutieren. Zu der seid ihr dann herzlich eingeladen (im nächsten Newsletter dazu wahrscheinlich mehr).

Sonst ist die Allianz – wie das leider in der NGO-Welt so oft ist – derzeit “on hold”, weil die Projektmittel erst einmal zu Ende sind. Du bist ein Kobold, der auf einem Geldtopf sitzt und die Fortführung der Allianz sinnvoll fände? Schreibe uns! ☘️


Midjourney (KI): Superman und Spiderman zusammen für mehr Informationskompetenz 😎

4 Fäuste für ein Medienbildungs-Hallelujah

Tong-Jin bei D21:
Anlässlich der Veröffentlichung des aktuellen D21-Digital-Index diskutierte Tong-Jin zusammen mit Sabine Frank, Director Government Affairs & Public Policy bei Google Deutschland und Mitglied bei uns im Zukunftsrat sowie Stefan Voß von der dpa-infocom am 12. März zur Frage, wie wir Medienmündigkeit und kritisches Denken in der digitalen Welt bewahren können. Eine der zentralen Erkenntnisse ist, dass digitale Plattformen und Politik endlich Verantwortung übernehmen müssen. Entsprechende Wünsche werden an die neue Bundesregierung formuliert.

In der aktuellen Studie wird Tong-Jin auch zitiert mit der Aussage: "Die Digitalisierung sollte der Menschheit dienen, nicht umgekehrt. Sie bietet enorme Chancen: Demokratische Teilhabe wird gestärkt, Bildungsgerechtigkeit ermöglicht und der Zugang zu Wissen erweitert. Doch soziale Medien bergen Risiken: Algorithmen fördern polarisierende Inhalte, Desinformation verbreitet sich rasant und Plattformen werden oft mit öffentlicher Infrastruktur verwechselt. Das gefährdet das Vertrauen in Medien und Demokratie. Medienbildung ist zentral. Sie muss von früh an in Schulen verankert sein, um Kinder zu medienmündigen Bürger*innen zu machen." Das komplette Interview mit Tong-Jin gibt es hier im aktuellen D21 Digital Index 2024/2025.

Alex bei Jan-Martin Wiarda:
Lesen. Schreiben. Rechnen. Denken!” – Medienkompetenz ist die 4. Kulturtechnik. Doch ihre Vermittlung wird immer noch behandelt wie ein freiwilliger Kurs in „digitaler Gartenpflege". Ein Plädoyer für eine neue Bildungspolitik, die Demokratie schützt, durfte Alex Sängerlaub im Blog des renommierten Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda schreiben.

Er betont, dass die Fähigkeit, Informationen im digitalen Zeitalter kritisch zu bewerten, essenziell für die Demokratie ist. Dennoch werde diese Kompetenz im Bildungssystem vernachlässigt. Alex fordert daher, Medienbildung systematisch in Lehrplänen zu verankern – in dem ein Schulfach dafür eingeführt wird, damit auch Fachkräfte überhaupt den Weg in die Schulen finden. Auch die Erwachsenenbildung gilt es zu fördern und journalistische Angebote weiterzuentwickeln, um die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegenüber Desinformation zu stärken.


Constructive GPT – Tool für Konstruktiven Journalismus gelaunched

Und noch ein kleines Schmanckerl für alle, die im Journalismus arbeiten. Wir haben ein KI-Tool in ChatGPT gelaunched, dass Redaktionen helfen soll, konstruktivere und bessere Artikel zu schreiben.

Die Anwendung funktioniert easy: Ihr gebt ein Thema in ChatGPT ein und es hilft Euch dabei, eine konstruktive Perspektive zu finden, indem es:

  • 🌱 Ideen für individuelle Lösungen vorschlägt

  • 💡 Ideen für Lösungen auf organisatorischer Ebene vorschlägt

  • 🗺️ Ideen für Lösungen auf nationaler, globaler und systemischer Ebene vorschlägt sowie

  • 🎯 spannende Geschichten von Lösungsansätzen, die auf lokaler Ebene schon irgendwo auf der Welt funktionieren

Unser ConstructiveGPT ist kostenlos verfügbar. Ihr erreicht es über unsere Webseite. Wir sind gespannt, was ihr sagt. Probiert es doch mal aus und gebt uns gerne Feedback!


Herzlichen Dank, dass Du uns liest! Du bist grandios und wir freuen uns sehr. Danke! Auch freuen wir uns über Kritik, Anregungen, ein ❤️ oder andere Impulse (z.B. an info@futureins.org) jeglicher Art. Du kannst uns sogar anrufen: +49 171 206 2568. Übrigens sind wir gerade im Fundraising-Prozess und arbeiten an der Strukturfinanzierung für unsere Organisation. Ideen, Anregungen und Kontakte sind herzlich Willkommen!

futur eins
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