Anlässlich des Europatages am 9. Mai veranstaltete das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin zusammen mit der Vertretung der Europäischen Kommission eine Podiumsdiskussion zu den Themen Green Deal, Digitale Teilhabe und Europas Position in der Welt. Mit welchen Aspekten sich die Gäste konkret beschäftigten, bestimmten die Bürger*innen.

Sowohl live als auch im Vorfeld der Veranstaltung hatten Interessierte die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen. Über die Fragen zum Thema Digitale Teilhabe sprachen der Europaabgeordnete Martin Schirdewan (Die Linke) und Renate Nikolay, Kabinettchefin von EU-Kommissions-Vizepräsidentin Jourová mit den Expert*innen Prof. Maisha-Maureen Auma, Professorin für Diversity Studies an der Pädagogischen Fakultät der Hochschule Magdeburg-Stendal, derzeit Gastprofessorin an der TU Berlin und Alexander Sängerlaub von futur eins. Die Journalistin Karin Kekulé moderierte die Gesprächsrunde.

Abhängigkeit von großen Plattformen beenden

Ein zentrales Thema der Diskussion war die Rolle der großen Plattformen wie beispielsweise Facebook und Twitter: „Wir sind mit einer hohen Monopolbildung auf dem digitalen Markt konfrontiert, wo einige wenige Unternehmen, die sogenannten Big Five bis zu 80 Prozent des Marktes kontrollieren und damit auch die Regeln diktieren. Das Erfolgsmodell dieser Plattformen basiert darauf, Aufmerksamkeit zu generieren", so Martin Schirdewan. Das führe dazu, dass diese Unternehmen mit Gewaltdarstellung, Hate Speech und Fake News Aufmerksamkeit hervorrufen und Geld verdienen und "das müssen wir angehen".

Alexander Sängerlaub sieht außerdem ein Problem im Aufbau dieser Plattformen: „Wir sind im Netz auf Plattformen unterwegs, die nicht für demokratischen Diskurs gebaut worden sind, sondern für private Inhalte gemacht wurden. Die Algorithmen interessieren sich nicht für Faktizität oder Wahrhaftigkeit. Es findet wenig Moderation statt und gibt keine Verantwortungsstrukturen.“ Der Weg aus dieser Abhängigkeit von den großen Plattformen sei eine klare Gesetzgebung für den Digitalen Raum, so Renate Nikolay: „Was offline illegal ist, ist auch online illegal. Im Moment haben wir nicht in allen Mitgliedstaaten klare Gesetze. Daher sind wir bei vielen Problemen noch abhängig von den Plattformen wie Facebook, die entscheiden, welche Inhalte auf der Plattform erscheinen. Wir dürfen nicht an eine Plattform delegieren, zu entscheiden, was im Netz illegal ist. Gesetze geben uns die Chance, selbst in die Hand zu nehmen, was auf diesen Plattformen erscheinen darf und was nicht.“ Dabei sei eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten notwendig, so Renate Nikolay.

„Nur, wenn wir gemeinsam voranschreiten, haben wir eine Chance. Deutschland allein hat zwar eine wichtige Position in der Welt, aber keine Chance sich allein gegen Player wie China oder die USA durchzusetzen. Nur gemeinsam, als Europäische Union, haben wir die Chance eine starke Position zu vertreten und die digitale Transformation so gestalten zu können, dass die uns dient.“

Mehr Schutz im Netz

Besonders beim gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung im Netz sieht Prof. Maisha-Maureen Auma Handlungsbedarf: „Inklusion gestalten heißt: Ein Recht auf Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Schutz vor Diskriminierung. Und gerade die Umsetzung des dritten Punktes gelingt uns schon in der nicht-digitalen Welt nicht. Digitale Formate sind leider sehr lose oder sehr unverbindlich, was den Schutz von Diskriminierung angeht.“ Auch Martin Schirdewan sprach sich für ein Gesetz zum Schutz von Aktivist*innen aus: „Das Recht auf Anonymität für gesellschaftlich oder politisch aktive Menschen im Netz ist ein wichtiger Schutzmechanismus, damit diese Menschen im Netz überhaupt ihre Arbeit machen können und geschützt sind.“

Digitale Kompetenz und Infrastruktur ausbauen

Insbesondere Alexander Sängerlaub betonte immer wieder die Bedeutung von Digitaler Kompetenz: „Die digitale Kompetenz ist die vierte Kulturtechnik. Wir haben bisher drei Kulturtechniken: Lesen, Schreiben und Rechnen. Wir verbringen heute so viel Zeit in der digitalen Welt, dass der Umgang mit der Digitalisierung mittlerweile zur vierten Kulturtechnik geworden ist, so dass wir hier auf allen Ebenen Kompetenzen aufbauen müssen und in die Bildung integrieren, damit wir uns online souverän bewegen können.“

Neben einer klaren Gesetzgebung und der Kompetenz, sich im digitalen Raum bewegen zu können, ist vor allem der Ausbau der Infrastruktur ein weiteres zentrales Element für Digitale Teilhabe, so Prof. Maisha-Maureen Auma. Sie fordert, beim Ausbau der Infrastruktur auf Chancengleichheit zu achten: „Digitales Empowerment heißt immer, dass wir herausfinden müssen, wer ausgeschlossen ist. Das sehen wir zum Beispiel gerade beim Homeschooling. Die Infrastrukturen, die den Kindern dabei zur Verfügung stehen, sind sehr unterschiedlich. Einige Wohngegenden haben teilweise eine sehr schlechte digitale Infrastruktur. Hier müssen wir uns Konzepte für eine gerechte Umverteilung überlegen.“

Buntes Rahmenprogramm

Eingebettet wurde die Diskussion in ein Rahmenprogram rund um das Thema Digitalisierung. Den Einstieg lieferte ein Grußwort des Präsidenten des Europäischen Parlaments David Sassoli, gefolgt von einem Interview zur digitalen Zukunft Europas mit Marina Weisband, deutsch-ukrainische Politikerin und Publizistin, geführt von Georg Pfeifer, dem Leiter des EP-Verbindungsbüros in Deutschland, sowie Jörg Wojahn, dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Das Europa Direct Center in Aachen stellte sein Projekt für die Digitalisierung der Stadt vor und engagierte Freiwillige des paneuropäischen Netzwerkes gemeinsamfür.eu präsentierten ihre Aktionen zum Thema Digitales. Außerdem wurden zuvor verschiedene Menschen auf der Straße zu ihren Fragen und Gedanken rund um das Thema interviewt. Die Improvisations-Theatergruppe frei.wild sorgte mit ihren schauspielerischen Einlagen für Unterhaltung.

Der Europatag - Feier für Frieden und Einheit

Die hybride Podiumsdiskussion fand im Rahmen der Feierlichkeiten zum diesjährigen Europatag statt. Am Europatag wird der Friede und die Einheit in Europa gefeiert. Am 9. Mai 1950 hielt der damalige französische Außenminister Robert Schuman eine Rede, in der er seine Vision einer neuen Art der politischen Zusammenarbeit in Europa vorstellte. Seine Idee war eine überstaatliche europäische Institution zur Verwaltung und Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion. Robert Schumans Vorschlag gilt als Grundstein der heutigen Europäischen Union.